Interview mit Alessa
Kreuzfahrt mit Handicap
Hier könnt ihr das Interview mit Alessa von @lesly.sch (Insta) bzw. Alessa Sth (FB) lesen, die von ihren Erlebnissen mit Handicap auf Kreuzfahrt berichtet und den ein oder anderen Kniff für euch hat und auch Kritik übt…
Hallo Alessa, ich freue mich sehr, dass du dir die Zeit für ein kleines Interview genommen hast. Erzähl doch einmal kurz, wer du eigentlich bist.
​
Hallo Pam. Ich bin die Alessa. Bin 29 Jahre alt und komme aus Lüdenscheid und an Gliedergürtel Muskeldystrophie Typ 2i erkrankt.
(Laienhafte Anmerkung meinerseits: Es handelt sich hier um eine genetisch bedingte Muskelerkrankung, die es Alessa unmöglich macht, die Beine zu bewegen und die Arme anzuheben, so dass sie auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen ist)
​
Wie gestaltet sich die Buchung einer Kreuzfahrt für dich?
​
Eigentlich recht einfach.
Hat man gar keine Ahnung, wie das funktioniert, dann hilft das Reisebüro. Nun wissen die vielleicht auch nicht, auf was zu achten ist, aber da gibt es seitens der Reederei einen Fragebogen, der auf jeden Fall ausgefüllt werden muss.
Und natürlich ist zu erfragen, ob eine barrierefreie Kabine verfügbar ist, und zwar direkt bei (in diesem Fall) Tui, da dies online nicht abzurufen ist.
​
Was musst du wo und bei wem aufgrund deiner Behinderung angeben?
​
Bei Tui z.B. gibt es einen Fragebogen für Personen mit eingeschränkter Gehfähigkeit, der bei der Buchung mit abgegeben werden muss.
​
Auszüge aus dem Fragebogen sind:
-Anmeldung eines Rollstuhles und verbindliche Buchung einer barrierefreien Kabine, sowie Buchung eines Sondertransfers zwischen Flughafen und Schiff
-Ich gebe Angaben zur Art der Behinderung z.B. mit „kann nicht stehen und gehen, Hilfebedarf beim Transfer/umsetzen“ an
Angaben zur körperlichen Einschränkung wären beispielsweise:
-kann nicht lange gehen, aber Stufen bewältigen oder
-kann keine langen Wege und Stufen gehen, aber von der Flugzeugtür bis zum Sitz laufen oder
-bin ständig auf den Rollstuhl angewiesen
Die Art des Rollstuhls, wie Maße, Gewicht oder auch Art der Batterie muss angegeben werden
Die Anmeldung des Rollstuhls bei der Fluggesellschaft muss direkt und eigenständig erfolgen!
Der Sondertransfer eines Rollstuhls zwischen Flughafen und Schiff ist im An- und Abreisepaket von TuiCruises inkludiert.
Der Sondertransfer ist noch einmal unterteilt in folgende Möglichkeiten:
->Reisebus: wenn man in diesen einsteigen kann und der Rollstuhl faltbar ist
->PKW: wenn man in diesen einsteigen kann mit max 2 Mitreisenden (alles andere wird im Reisebus befördert)
->Rampenwagen: den buche ich, da ich einen Transfer sitzend in meinem Rollstuhl benötige
->Minivan: wenn man in diesen einsteigen kann mit min 2 Mitreisenden
Zum Schluss gibt eine Einverständniserklärung für Gäste mit körperlichen Einschränkungen.
Was bedenkst du beim Flug? Wird geholfen, wen ja, wie?
Ein Airbus hat eine größere Ladeluke, so kann der Rollstuhl problemlos verladen werden. Bei einer Boing ist die Ladeluke nur ca. 80cm hoch, da ist ein E-Rollstuhl zu hoch für. Somit muss meine Rückenlehne vom Rollstuhl abmontiert werden.
Für Standardsitzplätze ist die Reservierung kostenlos, bei Buchung von XL-Sitzen muss die Differenz gezahlt werden.
Rollstuhlfahrer, bzw. Menschen mit eingeschränkter Gehfähigkeit würden nicht in der ersten Reihe oder an den Notausgängen sitzen. Auch müssen diese Menschen immer am Fenster sitzen, damit die anderen Passagiere in der Reihe die Möglichkeit haben aufzustehen.
Bei größeren Flugzeugen (z.B. Airbus 380) mit 3-4-3 Bestuhlung darf diese Personengruppe auch in der 4-er Reihe jeweils außen sitzen.
Meistens buche ich einen XL Sitz mit mehr Beinfreiheit. Ich kann nicht mehr stehen oder gehen, somit muss ich mit Hilfe umgesetzt werden. Da ich ja am Fenster sitzen muss, ist es bei XL-Sitzen einfacher, mich durch die Reihe bis zum Fenster zu heben.
Alle Hilfsmittel müssen vorab eigenständig bei der Fluggesellschaft angemeldet werden und werden kostenlos befördert. Beim Rollstuhl müssen die Maße, Batterien etc. auch angegeben werden.
Beim Check-in bekommt man meist 2 Leute zur Hilfestellung. Es gibt eine Sammelstelle, an der ich auf diese Personen warte. Zusammen können wir dann auf dem schnellsten Weg zum Gate an allen Schlangen vorbei gehen.
In der Regel dürfen Personen mit eingeschränkter Gehfähigkeit zuerst ins Flugzeug einsteigen.
Es gibt einen schmalen Bordrollstuhl auf den ich mit Hilfe der zwei Helfern umgesetzt werde. Mein eigener Rollstuhl wird weggebracht und verladen. Manchmal kann es auch sein, dass der Rollstuhl schon beim Check-in weggebracht wird… in dem Fall werde ich erst in einen normalen Schieberollstuhl gesetzt und dann noch einmal in den schmalen Bordrollstuhl!
Beim Aussteigen muss ich bis zum Schluss warten, bis alle Passagiere ausgestiegen sind - dann erst kommen wieder zwei Personen und helfen mir beim Umsetzen auf den Bordrollstuhl.
Stehen wir auf dem Rollfeld, wird von der anderen Seite ein Hubwagen angedockt und es kann sein, dass dort mein eigener Rollstuhl schon bereit steht, so dass ich dort direkt umsteigen kann. Oder aber es steht ein Schieberollstuhl bereit und ich muss den eigenen, sowie die anderen Hilfsmittel bei der Ausgabe des Schwergepäcks abholen.
Wie gestaltet sich das Einchecken an Bord des Schiffes? Wird da geholfen, wenn ja, wie?
Als Person mit eingeschränkter Gehfähigkeit (Rollstuhl oder Rollator) hat man die Möglichkeit den Suiten-Eingang zu nutzen und hat somit einen schnelleren Check-in. An der Gangway selbst bekommt man Hilfe beim Hochschieben - mein E-Rollstuhl schafft das aber von allein.
Welche Möglichkeiten hast du bei der Kabinenwahl?
Bei der Mein Schiff 1- 6 sieht es wie folgt aus:
Es gibt 10 barrierefreie Kabinen
2 Innenkabinen, geeignet für je 3 pax
4 Außenkabinen, geeignet für je 2 pax
4 Balkonkabinen… die beiden äußeren (9045 und 9039) haben eine Doppelbettcoach, sind für 4 pax geeignet…die beiden inneren (9043 und 9041) haben eine nicht ausziehbare kleine Coach, sind für 2 pax geeignet.
Bei der Mein Schiff Herz gibt es 7 barrierefreie Außenkabinen auf Deck 5.
Die Bäder sind groß genug, dass ich mit dem E-Rollstuhl reinfahren und wenden kann. Haltegriffe sind vorhanden, spielen für mich jetzt aber keine große Rolle.
Ich selber nehme immer einen kleinen Schlauch mit, an dem eine Handbrause dran ist und schraube diesen an die Armatur am Waschbecken. Der Grund ist, dass ich so, ohne immer komplett zu duschen, jeden Tag meine Haare waschen kann! Für den ein oder anderen Rollstuhlfahrer gestaltet sich das tägliche Duschen als schwierig…
Wer noch ein paar Schritte laufen kann und bei dem der Rollstuhl zusammen klappbar ist, kann auch eine normale Kabine buchen, dann wäre eine barrierefreie Kabine nicht zwingend notwendig.
Sind für dich die Bars und Restaurants gut zu erreichen?
Restaurants und Bars sind alle gut zu erreichen. In den Restaurants gibt es ausgeschilderte reservierte Rolli-Tische.
Ich brauche im Anckelmannsplatz Hilfe beim Essen auswählen, da ich meine Arme nicht heben kann.
Negativ ist in dem Buffet Restaurant die Beschriftung an den Glasscheiben, denn die sind viel zu weit oben, so dass ein Rollifahrer sie gar nicht oder nur schwer lesen kann.
Wenn ich mit meinem Vater reise, finden wir immer einen reservierten Rollitisch, aber oft sind die Tische einfach schlecht gewählt. Wenn kleine Tische ausgewählt wurden, passiert es, dass das Fußbrett vom Rollstuhl gegen die Tischbeinsäule stößt und ich nicht nahe genug an den Tisch fahren kann.
Wie reagiert die Crew? Wie die Passagiere?
Dazu kann ich persönlich gar nicht so viel sagen, ich achte da einfach nicht drauf…
Manchmal spricht mich einer der Gäste an, dass er/sie es toll findet, dass ich trotz Handicap eine Kreuzfahrt mache und sind dann interessiert, ob ich alles gut erreichen kann
Was ist bei Landgängen zu beachten?
Wer noch ein paar Schritte laufen und in den Reisebus einsteigen kann, kann Touren über Tui buchen. Ich kann es nicht. Wir machen meist Ausflüge auf eigene Faust oder über Anbieter vor Ort, die ein Auto mit Rampe zur Verfügung stellen können.
Von Bord komme ich mit dem Rollstuhl so gut wie immer. Klar, es gibt mal Situationen, wo es nicht klappt, aber das ist bei mir dann ein Sonderfall, denn der Rollstuhl ist zu schwer um ihn zu tragen. Mit einem Schieberollstuhl ist das Tragen oder rückwärts Ankippen, Stufen hoch bzw. Runter rollen eben einfacher.
Die Crew möchte übrigens immer helfen, ist bei mir dann aber leider in dem Fall nicht möglich.
​
Vielen Dank liebe Alessa, dass du dir die Zeit genommen hast, mir so viele Fragen zu beantworten, ich bin mir sicher, dass du damit einigen Menschen die Entscheidung leichter gemacht hast, auch mit Handicap eine Kreuzfahrt zu buchen.